Mittwoch, 2. Oktober 2013
02.03.13 Thema Erfahren, Denken, Bewerten, Fühlen
Ich war ein ruhiges und gutmütiges Kind. In der Pubertät entwickelte ich große Angst vor Spinnen, im Erwachsenenalter kam eine zunehmende Angst vor Hunden dazu, beides verlor sich erst viele Jahre später.

Mit 30 hatte ich den Eindruck meine Gefühle seien von meiner Umgebung ganz und gar abhängig. Waren die Menschen in meiner Nähe glücklich oder unglücklich schien das unwiderstehlich ab zu färben.



Ein eigenes Gefühlsleben schien es kaum zu geben, außer wenn ich mit der Unzufriedenheit meiner Umgebung haderte. Ich funktionierte und fühlte die meiste Zeit nichts. Mir war dieser „neutrale Zustand“ sehr recht. Manchmal beschwerten sich Freunde über mein Stereotypes ‚Gut‘, wenn ich nach meiner Stimmung gefragt wurde.



Als ich 37 Jahre alt war zog mein damaliger Lebensgefährte aus der Wohnung aus und ich lebte das erste Mal in meinem Leben alleine. Kurz vor den ersten Feiertagen bekam ich eine Panikattacke.

Ich hatte Angst über eine so lange Zeit alleine zu sein. Da ich damals schon einiges über mentales Training wusste, konzentrierte ich mich auf meinen Atem und versuchte so wenig wie möglich gegen die heftigen Gefühle an zu gehen (sie nicht bewerten). Das half und war ein eindrückliches Erlebnis. Ich hatte Glück, dass ich sofort ein gutes Gegenmittel gefunden hatte und diese Erfahrung blieb ohne Wiederholung.

Im Buddhismus gibt es eine Geschichte über einen Mönch, der sich bei seinem Lehrer über die Eintönigkeit der Übungen beklagte. Die stundenlange Konzentration auf den Atem erschien ihm langweilig. Da tauchte der Meister ihn unter Wasser, bis er sich heftig zu wehren begann. „War der Atem jetzt auch langweilig?“ Wurde der Mönch gefragt.

Als ich die Geschichte das erste Mal hörte fand ich sie ziemlich brutal und ein wenig sinnlos. Heute weiss ich, dass es bei heftigen Gefühlszuständen ein wirklich gutes Mittel ist auf den Atem zu achten und die Gefühle kommen und gehen zu lassen. Panik, wenn ich unter Wasser keine Luft mehr bekomme, oder Panik wegen meinen inneren Bewertungen fühlt sich gleich an.

Heftige Gefühle sind wie ein Sturm, ein Naturereignis, das mich erfasst – es macht die Sache nur schlimmer sich dagegen zu stemmen, zu hadern oder zu argumentieren. Manchmal gelingt mir das, aber Potential zu Verbesserung ist noch reichlich vorhanden ;-)

Thich Nhat Hanh sagt in seinem Buch „Ärger“ man solle dem Feuer kein Holz geben, so kann es schneller verlöschen. Und in unserem Land gibt es die Floskel: „(Kein) Öl ins Feuer gießen“, was es ebenfalls sehr gut beschreibt.

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