24.10.15 Thema "Buddhismus"
Im Buddhismus hat vieles einen praktischen Bezug und so führen selbst die Fragen, die jedem bodenständigen Menschen ein Stirnrunzeln auf das Gesicht zaubern dennoch oft zu einer nützlichen inneren Einstellung dem Leben gegenüber.

An einem der letzten Wochenenden hat mir mein 15jähriger Neffe eine sehr interessante Frage gestellt. Er wollte wissen ob im Hinduismus, genau wie im Buddhismus an Reinkarnation geglaubt wird. Ich gehöre keinem der beiden Religionen an und kann vor allem zum Hinduismus kaum etwas sagen.

Mein Interesse für Spiritualität und insbesondere für die buddhistische Philosophie haben mir aber einen gewissen Hintergrund vermittelt vor dem ich die Frage nach der Reinkanation gerne beleuchten möchte.



Der Hinduismus ist wesentlich älter als der Buddhismus. Buddha wuchs in einem Kulturkreis auf in dem der Hinduismus eine große Rolle spielte. Man kann also davon aus gehen, dass Ihn die hinduistische Sichtweise geprägt hat. Buddha war ein sehr intelligenter und kritischer Zeitgenosse. Er rief seine Anhänger stets dazu auf jede Frage selbst kritisch zu durchleuchten und zu eigenen Schlußfolgerungen zu kommen. Das heißt letztendlich überlies er es jedem Anhänger selbst sich eine Meinung zu bilden.

Es ist von Buddha überliefert, dass er sogar recht widersprüchliche Antworten auf die Fragen seiner Anhänger gab. Darauf aufmerksam gemacht, antwortete er, dass jeder Anhänger einer anderen Antwort bedürfe, je nach Reife und Kenntnisstand.

Was zunächst wie ein dreister Trick klingt um dumme Menschen hinters Licht zu führen wird bei näherem Hinsehen verständlich. Die Frage nach der Wiedergeburt eines Menschen kann nämlich erst beantwortet werden, wenn man das Wesen des "Ichs" durchleuchtet hat. Erst dann wird klar, dass diese Frage nach der Reinkarnation weder mit Ja noch mit Nein beantwortet werden kann.


Was ist denn überhaupt das "Ich"? Was, wenn es tatsächlich Seelenwanderung gäbe, würde von einen Körper in den anderen wandern?

am Wasserturm Manneim

Um deutlicher zu machen mit welchen Schwierigkeiten diese Fragestellung einher geht, möchte ich ein Beispiel aus meinem und dem Leben meines Neffen heran ziehen.

Ich war zum ersten Geburtstag meines Neffen Tim eingeladen und habe diesen Tag mit ihm verbracht. Ich nehme an, daran kann er sich heute nicht mehr erinnern. Eingeladen hat er mich damals nicht. Seine Eltern haben mich eingeladen - so wie das in diesem Alter eben üblich ist. Nicht er hat entschieden, es waren seine Eltern, die darüber entschieden haben.

Was ist denn nun Reinkarnation?

Zwei Blüten

Wenn man die Sache auf die Spitze treiben wollte, könnte man fragen: Ist Tim heute denn überhaupt der Tim, der er vor 14 Jahren war? Ist das denn der gleiche Mensch bzw. ist er denn reinkarniert in diesem 15 jährigen Körper?

Man geht natürlich im Allgemeinen davon aus, dass jemand erst sterben muss, um neu geboren zu werden und dann ist er reinkarniert. Wenn man dennoch diesem völlig verrückten Gedankengang folgt und sagt wir reinkarnieren jeden Tag wieder neu, dann ist Tim ganz viele Tage jeden Tag neu reinkaniert und ist zu dem Mensch geworden, der er heute ist. Der Mensch der er heute ist, hat aber nicht mehr viel mit dem Menschen zu tun, der er mit einem Jahr war. Das Leben ist ein Entwicklungsprozess. Wir alle entwickeln und verändern uns täglich.

Blumen im Luisenpark

Wenn ich nun am Ende meines Lebens sterbe, verändere ich mich weiterhin. Das ist jedenfalls meine Vermutung. Wenn so etwas unsterbliches in uns sitzt, das reinkarniert, verändert es sich ständig. Es verändert sich sicherlich durch den Todesprozess und durch den Aufenthalt im nichtphysischen Bereich. Sicherlich passiert auch eine Veränderung durch die Geburt und auch durch die vorgeburtlichen Erfahrungen im Mutterleib. Das ganze ist ein Entwicklungsprozess. Wir wissen aus der Entwicklungsgeschichte von Kindern, dass Kleinkinder so ein "ich" noch gar nicht kennen. Sie müssen erst lernen sich als "Ich" zu definieren. Das passiert mit jedem Kleinkind. Wenn wir davon aus gehen, dass es ein "Ich" gibt, das Bestand hat, müssen wir davon ausgehen das dieses Ich immer mal wieder eine Sicht der Dinge einnimmt das diese Definition "Ich" vergisst, weil Kinder erst ab einen bestimmten Alter lernen "ich" zu sagen und sich damit zu identifizieren.

Das heißt also es gibt einen Zustand des Ich, als auch die Möglichkeit dieses "Ich" zumindest mal nicht zu erkennen.

Was bedeutet das nun im ganz normalen alltäglichen Leben? Wie kann ich aus diesen Erkenntnissen für mich Nutzen ziehen?

Herbstdeko im Luisenpark

Behalte ich die Erkenntnis im Hinterkopf, dass sich jeder Mensch unweigerlich verändert, dass der Wandel zum Leben dazu gehört, so kann ich Fehler und Schwächen meiner Mitmenschen gelassener hinnehmen. Ich kann sogar meine eigenen, vergangenen Fehler als etwas vorübergehendes betrachten. Ich kann mir und meiner Umgebung die Chance einräumen, dass wir schnell lernen und reifen werden an den Herausforderungen des Lebens. Ich kann das Leben als etwas sich stets zum positiven Hingerichtetes und Veränderliches begreifen.

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mark793, Montag, 02. November 2015, 7:16 PM
Wenn wir davon aus gehen, dass es ein "Ich" gibt, das Bestand hat, müssen wir davon ausgehen das dieses Ich immer mal wieder eine Sicht der Dinge einnimmt das diese Definition "Ich" vergisst, weil Kinder erst ab einen bestimmten Alter lernen "ich" zu sagen und sich damit zu identifizieren.

Meine Tochter hat als kleines Kind manchmal von "ihrer früheren Familie" gesprochen, so als ob noch Resterinnerungen an ein früheres Leben vorhanden gewesen wäre. Das kuriose ist, dass ich kurz vorher etwas über Kinder gelesen hatte, die mit zum Teil sehr detaillierten und verifizierbaren Aussagen zu ihren angeblichen früheren Existenzen aufwarten konnten. Ich hatte darüber aber nie mit Töchterlein gesprochen.

Ich weiß nicht so recht, wie ich das einordnen soll, aber ich ziehe die Möglichkeit durchaus in Betracht, dass es unter Umständen möglich ist, dass manmehr als einmal auf diese Welt kommt und sich in seltenen Fällen auch noch an Details aus früheren Leben erinnert.

Und zum Schluss noch vielen Dank für das schöne Foto vom Mannheimer Friedrichsplatz. Das ist ein schöner Ort, an dem ich in dunklen Zeiten viel Licht getankt habe.

glueck-lich, Mittwoch, 04. November 2015, 4:50 PM
Danke für diese interessanten Ergänzungen zu dem Thema. Möglicherweise könnte man noch in Betracht ziehen, dass ein Datenfeld mit allen vergangenen menschlichen Erfahrungen besteht und begabte Seelen sich mit diesen Informationen verbinden - vielleicht aus einer psychologischen Motivation heraus. Ich halte Reinkarnation aber für wesentlich wahrscheinlicher. Im Beitrag geht es mir mehr um die Frage des sich ständig wandelnden Ichs und wie sehr man sich überhaupt damit (mit seiner Vergangenheit) identifizieren muss/soll.

Ja, es gibt schon schöne Plätze in Mannheim und der Wasserturm gehört sicherlich dazu :-)